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Die Verwirrung des Lambs verwirrte gleichzeitig Cassius und so waren letzten Endes wohl alle beteiligten Personen verwirrt, ohne es offensichtlich zeigen zu wollen.
Jemanden zu vermissen war wie ein Satz, der nie zu Ende gesprochen wurde. Die Worte waren da, die Bedeutung spürbar, doch etwas fehlte. Es war, als ob eine Melodie weiter in einem spielte, obwohl das Lied längst verklungen war. Wie ein Blick zur Tür, obwohl man längst wusste, dass sie sich heute nicht öffnen würde. Wie etwas Vertrautes, das man aus der Ferne erkannte, schemenhaft, ohne es greifen zu können.
Ironisch, dass man ihm mit einem Nachnamen beschenkt hatte, deren Bedeutung so gegensätzlich zu dem Weg war, den sein Schicksal ihm immer deutlicher offenbarte.
Das Schicksal erfüllte sich immer und wenn nicht, dann fand es eine Kompensation, die es mindestens ebenso zufriedenstellte, wenn es nicht sogar noch zusätzliche Zinsen für den Mehraufwand verlangte.
"Es sitzen so viele unschuldige Männer und Frauen im Knast, wie es Schuldige auf der Straße gibt. Merk dir das, Gerechtigkeit funktioniert in dieser Gesellschaft nicht, mein Junge."
Nach dem hüftsteifen Tanz des Blondschopfs, der so aussah, als wäre er noch grün hinter den Ohren und hätte das letzte Mal Selbstsicherheit im Schaufenster gesehen, aber nicht den Mut gehabt, sie zu kaufen.
Die Sonne hatte das Holz aufgeheizt, es duftete nach Harz und alten Sommern. Er lehnte sich etwas zurück, stützt sich mit den Händen auf den Dielen ab, während seine Beine vor und zurück schaukelten.
Es war eine Arbeit, der er gerne nachkam, sie hatte etwas beruhigendes, beinahe meditatives an sich. Und wie jedes Jahr zahlte sie sich aus: Die Erdbeeren hingen schwer und süß, der Lavendel summte vor Bienen, und die Bohnen rankten sich an den gespannten Schnüren empor.
Eine unsichtbare Kraft zwang ihn in die Knie, doch noch bevor er den Boden erreichte teleportierte auch er sich mit Hilfe seine Magie fort von dem Ort, der ihn zu verschlingen drohte, weil er ihm so deutlich zeigte, dass sich die Welt weiterdrehte, obwohl seine gerade zum Stillstand gekommen war.
Seine Wut hatte sämtliches Einfühlungsvermögen, sämtliche Beschwichtigungsfähigkeiten und sämtliches Schlichtungsgeschick einfach verbrannt und es gab eine Stimme in seinem Inneren, die ihm sagte, dass auch nicht er allein es war, der zurückzurudern hatte. Doch wie ruderte man überhaupt, wenn der Untergrund voller spitzer Steinkanten war?
Der Schmerz in seinen Augen. Die Enttäuschung, als sein Zwilling und Schatten. Beides fühlte sich an, als würde man ihm einen Spiegel vorhalten, was es für Cas als schwierig gestaltete zurückzurudern, wo die Aussagen des Lambs ihm doch zuerst das Gefühl vermittelt hatten in den freien Fall gestoßen worden zu sein. Noch immer war er nicht am Boden angekommen und zu tausenden von Teilen zerschellt.
Wenn ich ihn fort schicke und er in der Nähe meines Ladens umkommt, werden sie mich als erstes befragen. Ich möchte dich ihnen ungern als Opfergabe für mein Schweigen darbieten, also sei still und sag mir lieber, wo ich dieses Gesicht schon einmal gesehen habe.
Schweigen.
Selbst bei angebotener Hilfe, hätte Cassius sie vermutlich abgelehnt, von sich geschoben, weil er sie nicht verdient hatte, während der Mann in seinem Laden aktiv danach suchte. Es gefiel ihm nicht, dass ausgerechnet er der Retter in der Not sein sollte – aber sein vorheriger Gedanke, ihn nach draußen zu schicken um sich Flüssigkeit aus der Luft zu ziehen, erschien ihm nun ein wenig harsch.
„Kuchen bereiten eindeutig weniger Kopfzerbrechen als Piloten und ihre schlechten Sprüche“, sagte sie, sich an ihren Austausch in England erinnernd. Freundschaften wurden damals schnell geschlossen – ebenso schnell gingen sie wieder verloren.
Ihre grünen Augen nahmen für einen flüchtigen Moment sein Gesicht wahr, bevor es vor ihrem inneren Auge blutüberströmt war – ein Bild aus der Vergangenheit, das sich über die Gegenwart legte. Das Jetzt verdrängte das Damals, aber das Bild hallte nach. Der metallische Geruch schien in ihrer Nase zu haften, die Geräusche um sie herum – das Klirren von Tassen, das Schmatzen der Kunden – vermischten sich mit den Echos von damals.
Vor ihr stand ein Geist.
Ein Lächeln für jeden Kunden auf den Lippen, ein netter Spruch in fröhlicher Singsangstimme. Es war eine hübsche Farce, eine schöne Ablenkung – vor allem vor dem, was in ihr lauerte.
Schneeflocken fallen vom Himmel. An manchen Tagen schmeckt die Luft, wenn sie fallen, nach verbrannter Asche, die vom Himmel rieselt. An manchen Tagen ist die Stille so laut, dass sie das Trommelfell beinahe zum Platzen bringt, und die Sonne so grell, dass sie sich instinktiv abwenden und zusammenkrümmen will. An manchen Tagen, wenn sie über die Vernarbungen in ihrem Gesicht fährt, beginnen sie wieder zu brennen – ohne wirklich zu brennen. Und an manchen Tagen bahnt sich das Feuer der Panik durch ihre Adern, ohne dass sie eine Chance hat, es mit Wasser zu löschen.
Stattdessen beobachtete er, wie sein Bruder sich von der Wand abstieß, wie er sich auf die Beine zwang, schwankend, unsicher. Diese Bewegungen hatten nichts von der natürlichen Schwere eines erschöpften Körpers. Sie waren fahrig, ziellos, mechanisch, wie das Zucken einer Marionette, deren Gelenke über die Zeit eingerostet waren. Oswin wirkte wie etwas, das man hätte reparieren müssen, aber dann doch immer wieder aufs Neue ignorierte.
Dabei wusste er selbst nicht, wie er es hätte in Worte fassen sollen. Wie beschrieb man diese Leere? Dieses Gefühl? Wie erklärte man, dass einen selbst das Atmen manchmal überforderte? Dass es Tage gab, an denen man nichts weiter tun konnte, als aus dem Fenster zu starren und zu hoffen, dass der nächste Tag leichter wird? Dass man nicht aufstand, weil man faul war, sondern weil das Aufstehen selbst wie ein unüberwindbares Hindernis erschien?
Es war nicht nur Müdigkeit. Nicht einfach ein anstrengender Tag oder die übliche Erschöpfung, wie sie jeder kannte. Was Arvin durchfuhr, war dichter, wie ein zäher Schleier aus Wachs, der sich über seinen Geist gelegt hatte und alles in dumpfes Grau tauchte. Eine lähmende Trägheit, die sich nicht abschütteln ließ.
„Du hast mir nicht gewunken, als du mich gesehen hast.“ Himmel, er fühlte sich erbärmlich, während diese Worte über seine Lippen kamen – als ob er ein kleines Kind war, das ignoriert worden war und sich nun verletzt, gar beleidigt fühlte.
Percy folgte dem Blick des Lambs hoch zur Decke und konnte es nicht verhindern, dass tatsächlich so etwas wie ein Lächeln auf seinen Lippen erschien. Wunderschöne Kunst löste so etwas eben in ihm aus.
Dieser Arvin, der ihm nun gegenüberstand, wich von der Norm ab und es war komisch, fühlte sich nicht richtig an. Irgendwas war falsch, irgendwas war nicht in Ordnung. Und ja, wieso juckte es Percy überhaupt? Wieso machte er es zu seinem Problem? Die Antwort wusste er selbst nicht und wenn doch, schob er sie ganz weit weg von sich, versteckte sie in einer Truhe weit in seinem Hinterkopf, warf den Schlüssel weg und ignorierte sie gekonnt.
In seinem Inneren, tief dort, wo seine Wut immer wie ein hungriges Tier gelauert hatte, breitete sich etwas anderes aus. Ein Gefühl, das sich schon lange nicht mehr in seiner Brust ausgebreitet hatte: Hoffnung. Verkrüppelt, vernarbt, kaum wiederzukennen — und doch war sie da.
Corvus konnte nichts tun, außer ihm die Hand entgegenzuhalten, ein fragiles Band zwischen zwei Welten, die längst hätten getrennt sein sollen.
Denn wenn Oswin wirklich hier war, wirklich lebte, dann war Corvus nicht der, der er all die Jahre geglaubt hatte zu sein. Dann war vielleicht nichts mehr so, wie er es für unumstößlich gehalten hatte.
Seine Hand hob sich. Zögerlich. Es war keine Drohung, keine Einschüchterung. Nur ein stilles, unvollkommenes Angebot. Eine ausgestreckte Hand, die mehr bedeutete, als jedes Wort hätte vermitteln können. Ein Eingeständnis. Eine Bitte. Vielleicht die Frage nach Vergebung?
Langsam, zäh wie kaltes Harz, löste Corvus sich aus seiner Starre. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde er gegen die Schwerkraft selbst kämpfen. Seine Beine waren schwer, seine Brust eng, als schnürte ein eiserner Ring seine Rippen zusammen.
Zwei Worte, hauchzart gesprochen, doch in Corvus hallten sie nach wie ein Hammerschlag auf blankem Stein. Immer wieder, bis nichts als taubes Dröhnen übrig blieb. Er stand nur da, starr wie eine Statue, das Herz wie eingemauert in der Brust, unfähig zu begreifen, was seine Augen ihm zeigten.
„Es sind die kleinen Dinge, die am glücklichsten machen, finde ich. Die Alltäglichen. Nicht die großen Momente und Gesten, die alles verändern, sondern die leisen, unscheinbaren, die einem das Herz ein bisschen leichter machen, ohne dass man es sofort bemerkt — weißt du?“
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