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Alle Inplayzitate
Ich bin lieber in der Zeitung als dass ich daran arbeite.
Zu schade, dass ich nicht dein Gesicht gesehen kann, wenn du diesen Brief liest. Ich hätte zu gern gesehen, wie dir die langweilige Beherrschung aus den Zügen entgleitet.
Es war, als wäre er zwischen zwei Welten gefangen: die sanfte Wärme seiner Mutter, die ihm erlaubte, weich zu sein, und die unnachgiebige Härte seines Vaters, der von ihm verlangte, dass er sich durchsetzte, dass er nie einknickte und Haltung bewahrte.
So eine Puppe hatte keine Persönlichkeit. Verlor Zenaida gerade ihre? Weil sie nicht mehr erfolgreich war, weil sie ihre Freund:innen nicht mehr hier hatte? Wer war sie jetzt? Eine Versagerin. Dieses Geständnis, nicht mehr gesehen werden zu wollen, inmitten hungriger Augen, die sich an ihrem Sturz nicht sattsehen können, wog schwer.
Wenngleich die Offenbarung ihrer Unsicherheit für die eine oder andere Person nichtig oder kleingeistig wirken mochte, schien sie Zenaida gar selbstzerstörerisch zu sein. Es kam ihr vor, als würde sie ihr sorgsam aufgebautes Image der unantastbaren Königin selbst demontieren, wie eine Schaufensterpuppe, die man auseinandernahm, um ihr den neuesten Modetrend überzustülpen.
Dann tat sich ihm auch noch die Frage auf, wer zur Hölle Mairi war und welchen Kunden sie belästigte, denn er konnte es nicht sein. Er fühlte sich alles andere als belästigt (außer vielleicht von Arvin sorry), aber außer ihm befanden sich keine anderen Kunden im Laden.
Es kam nicht oft vor, dass Perseus so etwas wie innere Ruhe verspürte. Zu jeder Minute, gar Sekunde seines Lebens wütete ein Sturm in ihm, der ihn niemals ruhen ließ, der ihn immer wieder daran erinnerte, dass das Leben beschissen war und so vieles so falsch lief.
In dem Sessel neben seinem hatte es sich Perseus mit seinem Skizzenbuch gemütlich gemacht. Die Nase so tief in den Seiten vergraben, dass Corvus schon fast befürchtete, er würde jeden Moment versuchen, mit dem Ding auf Tuchfühlung zu gehen.
Seine Hände an meinen Oberarmen wärmen mich, trotzdem ist’s hier noch kalt.
Während sein Gegenüber sich erklärte, blieben Percys Augen starr auf Arvin gerichtet, trotz der kreisenden Bewegung seines Fingers, die dazu einlud, ihm mit dem Blick zu folgen. War definitiv Percys misstrauischer Art zu schulden, die noch heute darauf wartete, dass Arvin seine Maske endlich fallen ließ und der Welt zeigte, wer er wirklich war – kein Mensch konnte so freundlich sein.
Percys erste Reaktion war, den Lamb anzufauchen, dass er keine Hilfe bräuchte, vor allem nicht von ihm. Muscle memory. Manche Angewohnheiten wird man halt nie wirklich los.
Er schätzte seine Ruhe und kam alleine ganz gut zurecht, doch er kannte auch das Gefühl der Einsamkeit. Allein unter vielen. Manchmal meinte er, auch in Percys Augen dieses Gefühl erkennen zu können. Ein Trugschluss? Vielleicht. Doch er wusste, dass es auf Dauer nicht gut war, ständig mit den eigenen Gedanken allein zu sein. Irgendwann zerbrach man daran, und Arvin wollte, dass Percy dieses Schicksal erspart blieb.
Also war sein Mitschüler bereits in den Genuss des herrlichen Wetters gekommen? Nun, gut für ihn, das freute Arvin natürlich, nur schienen die Sonnenstrahlen die finsteren Wolken, die sich Percys Gemüt schimpften, nicht wirklich aufgelockert zu haben. Er wirkte immer noch unnahbar und abweisend. Lag das an Arvin? Er hätte jemanden gebraucht, der ihm ein Read the Room-Schild ins Gesicht klatsche oder eine rote Fahne schwenkte, die ihm signalisierte, das er hier schon wieder ein paar unsichtbare Grenzen überschritt, und versuchte Mauern einzureißen, die vielleicht ja doch einen Daseinszweck erfüllten. Beides stand ihm nicht zu, das hatte Percy ihm schon mehr als deutlich gemacht. Warum konnte er es dann nicht einfach gut sein lassen?
Bedeutete es, dass er Davin vergaß? Das die Erinnerung an seinen Bruder langsam aber sicher an Bedeutung verlor und verblasste, unwiederbringlich, wie die mit Tinte gefüllten Seiten eines Buches, das man im Regen vergaß?
Es hatte einen Grund, warum er sich gegen die Schönheit der Welt sperrte, ob sie nun in Form von Kunst, wie Musik, zu ihm kam, in Form von Naturphänomenen, wie einem Regenbogen… oder in Form von Menschen.
Keine Zauberformeln oder Rituale, sondern die Magie des menschlichen Geistes, die Wunder erschuf, wo vorher nur Vorstellungskraft war.
Wo Percy sich in Kälte und Dunkelheit hüllte, um seine Mitmenschen von sich fernzuhalten, war Arvin das Licht und die Wärme, die sich sanft, wenn auch unerbitterlich zu ihm durchzukämpfen vermochten. Und davor, davor hatte Percy verdammt große Angst; er war nicht bereit dafür. Nicht, dass er das jemals zugeben würde. Ne.
Aber sobald die Sonne erst mal schien... oh, sobald die Sonnenstrahlen ihn erreichten, blühte er auf; sein Gemüt würde wohl niemals besonders hell werden, aber es war eine deutliche Verbesserung zu seinem Normalzustand.
Ja, selbst jemand wie er hatte Freude an solchen kleinen Dingen. Sie erdeten ihn, hielten die finsteren Gedanken im Zaum, die hinter seinen Schläfen wüteten wie ein grässlicher Herbststurm – kalt und ungemütlich. Seine Gedanken waren das komplette Gegenteil von dem sicheren Rückzugsort, den er sich hier in Stellans geschaffen hatte.
Obwohl er im Sommer die Sonne nach Möglichkeit mied, vermisste er die goldenen Stunden schon jetzt.
Doch die eigentliche Frage blieb unbeantwortet: Warum war Perseus hier? Arvin konnte sich kaum einen Grund vorstellen, warum sein ehemaliger Mitschüler, den er kaum kannte, nach so vielen Jahren plötzlich im Green Husk auftauchten sollte. Allerdings lag die Antwort möglicherweise auf der Hand. Warum besuchte man ein Geschäft? Vermutlich, um etwas zu kaufen. Diese Logik war unanfechtbar.
Und dennoch – sie waren keine Freunde. Ihre Beziehung war oberflächlich, nicht mehr als das, was man flüchtige Bekannte nennen konnte, die lediglich eine gemeinsame Vergangenheit teilten.
Sie alle waren Hippies, die gerne ihre eigene Kräutermischung tranken, pünktlich um 15 Uhr, und es würde ihn nicht wundern, wenn sein Gegenüber sich auch irgendeines Kräutertees erfreute.
In der Welt der Magier vergaß man schnell, dass die Sinma ihre ganz eigene Form von Zauber besaßen. Maschinen, die fliegen konnten, leuchtende Städte, Apparate, die Bilder und Töne einfingen. Keine Zauberformeln oder Rituale, sondern die Magie des menschlichen Geistes, die Wunder erschuf, wo vorher nur Vorstellungskraft war. Bemerkenswert und eindrucksvoll.
Leere Klassenzimmer hatten wahrlich etwas gespenstisches an sich, selbst dann noch, wenn die tief stehende Sonne das Licht in goldenen Streifen durch die Scheiben warf und die feinen Staubkörner darin tanzten wie tausende kleine Glühwürmchen.
Ein Trio, das drei verschiedene Streichinstrumente bediente, legte ein solches Talent in- und aufeinander abgestimmter Töne an den Tag, dass sich bereits eine überschaubare Menschentraube um sie gebildet hatte, ein Großteil davon bewegte sich zu den mäßig schnellen Takten eines Songs, den Cassius nicht kannte. Er streckte dem Lamb die Hand entgegen. Auffordernd. Herausfordernd. Neugierig. Mit einem leicht schrägen, neugierigen Grinsen im Gesicht, das hoffentlich dennoch ausreichend distanziert wirkte, damit man ihm die Enttäuschung nicht sofort ansah, würde Arvin einen Tanz ablehnen.
Es war zwar nicht das, was er brauchte und weshalb er diesen Ausflug unternommen hatte; doch würde es im Gehirn des Lambs hoffentlich für eine kleine Ausschüttung von Glück sorgen.
Für jemanden, der dem düsteren Herbst und Winter mit tiefster Beklommenheit entgegensah, kamen bereits die kleinsten Lichtstrahlen einem Hauptgewinn auf dem Rummelplatz gleich.
Der Schauer lichtete sich, erstarb jedoch nicht völlig und so erweckten die Regentropfen den Anschein, als tauchten sie die Welt kurz in einen Glitzernebel, bevor über der Themse ein blasser Regenbogen zu sehen war, einen Herzschlag lang, zwei, drei und noch einige mehr, bis die nächste Wolke die Düsternis wieder zurückbrachte und der Regen keine Farben mehr malte, sondern stattdessen wieder Kontraste nahm.
Sofern die Geschichten einen wahren Kern besaßen und die sprechenden Überbleibsel jenes Mannes nicht mit den Gebrüdern Grimm zu konkurrieren versuchten.
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